William Wegman „Dog Duet“

Shooting Animals

Shooting Animals haben wir das Programm genannt, weil wir eine Verwandtschaft zwischen guten Tier-Filmemachern und frühen Jägern sehen: Beide verwandeln sich in ihrer Arbeit notwendig den Tieren an, indem sie ihren Spuren folgen. Dass es uns dabei nicht um das reale Töten eines Tieres geht, wie es Jäger tun, wird schon im ersten Film klar. In The Cameraman’s Revenge von Wladyslaw Starewicz werden tote Tiere wieder zum Leben erweckt. Der Nashornkäfer, die Libelle und der Grashüpfer sind echte, tote Insekten, die im Spiel des Films animiert werden. Als Hauptdarsteller gewinnen sie ihr Leben zurück. Im Leben aber muss man wählen, leider, denn das ist alles andere als leicht. Gerade für Jäger ist das ein schwieriger Prozess, weil die Tiere einer Art nie gleich sind. Weil sie Individuen sind, lassen sie sich in ihrer konkreten Welt nicht generalisieren. Nicht jeder Hund kann bellen, und die es können, tun es oft, wann sie wollen und nicht wenn der Regisseur oder Jäger es will.  William Wegman zeigt es in seinem Film Dog Duet. Zwei Hunde, Weimaraner, bewegen sich nebeneinander äußerst unterschiedlich, um nicht zu sagen: gegensätzlich. Auch unter Tieren ist ein Duett ein Gesang mit Ein- und Widersprüchen. Bei Wegman wird das physisch für den Beobachter spürbar, weil er zwei Hunde der gleichen Art wählt. Physisches Kino ist auch Artavazd Peleshyans Obitateli (Die Bewohner), der 1970 in der Sowjetunion veröffentlicht wurde. Peleshyans Film ist eine Hymne an die Bewegungen von Tieren in Herden, Schwärmen und als Einzelgänger. Wobei ihm jedes Tier, auch das einzelne, eine Mehrheit zu sein scheint, der er pathetisch mit seinen Bildern, seinen Schnitten und seinen Tönen das Stimmrecht zurückgeben will. Die Tiere, die Bewohner, sind echte Tiere und keine Metapher. Peleshyan wirft dabei auch einen Blick von oben auf die Hirsche der Weiten Sibiriens, die sich im Winter, in der schrecklichen Kälte, zu riesigen Herden zusammenschließen. Die Herden der Hirsche am Amurfluss in Sibirien sind ein Mythos des russischen Anarchismus. In Peter Kropotkins Hauptwerk, Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt, stehen sie für den Moment, in dem Individualismus und Einzelgängertum in der Gemeinschaft zusammenfließen, um sich mit allen anderen zu schützen.
Die filmästhetische Gegenposition zu Peleshyan nimmt Romuald Karmakars Esel mit Schnee ein. Ganz ruhig, fest stehend, nimmt die Kamera einen Esel in den Blick, bis der Esel die Kamera sieht und darauf zugeht. Auch das geschieht ganz ruhig. Irgendwann wird ganz hinten noch ein zweiter Esel sichtbar, währenddessen ist der Esel vorne schon wieder dabei sich von der Kamera zu entfernen. Dabei bleiben die Esel nichts als sie selbst, Esel eben.   

Poisson

Étienne-Jules Marey & Georges Demenÿ, FR/IT 1891, 3 min

Sieben kurze Bewegungsstudien von Fischen und Rochen, in Aquarien in Neapel gedreht. Diese sehr frühen Aufnahmen Mareys gehören zu den ersten Filmaufnahmen von Tieren überhaupt. Etienne–Jules Marey’s chronophotographic films have been restored digitally and transferred onto 35mm film by the Cinémathèque française who owns and holds these scores. 

The Cameraman's Revenge

Wladyslaw Starewicz, RU 1911, 14 min [Piano]

Ein Nashornkäfer betrügt seine Frau mit einer Tänzerin, der Libelle. Dabei räumt er seinen Nebenbuhler, einen Grashüpfer, unsanft aus dem Weg. Doch der Grashüpfer ist Kameramann und filmt voller Rachegefühle das heimliche Stelldichein. Während der Käfer mit seiner Frau im Kino sitzt, muss er voller Entsetzen sehen, wie sein Fehltritt auf der Leinwand öffentlich gemacht wird. Es kommt zu einem Handgemenge, bei dem das Insektenkino in Flammen aufgeht. Der Spielfilm wurde mit echten, aber toten Insekten als Darstellern animiert.

Dog Duet

William Wegman, USA 1975, 3 min

In Dog Duet definieren die Kopfbewegungen zweier Weimaraner den imaginären Raum vor und hinter der Kamera.

Obitateli / Die Bewohner

Artavazd Peleshyan, UdSSR 1970, 10 min; Aus dem Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen

Ein experimenteller Dokumentarfilm im Cinemascope-Format. Der Film steht einerseits in der Tradition der vielen Tierfilmdarstellungen in den sowjetischen Provinzen, lässt aber im Gegensatz zu diesen den Menschen völlig außen vor. Die Tiere sind hier nicht Nutztiere, sie werden auch nicht in Beziehung zum Menschen gesetzt. Sie sind die Bewohner des Planeten.

Esel mit Schnee

Romuald Karmakar, DE 2010, 4 min

Ein Stillleben aus Niederbayern. Es schneit. Wir sehen die Esel Bianca und Ugo sowie das Schaf Ole, benannt nach einem norwegischen Skilangläufer. Ihr Stall gehört zu einer Autowerkstatt. W. Wiesner, der Chef der Werkstatt, kam zu seinem ersten Esel, als ein Kunde seine Reparaturkosten nicht bezahlen konnte.
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